Syrien: was nun? UN-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit wird 15.

UN-Sicherheitsrats-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit (325) wird heuer 15 Jahre alt. Am 13. Oktober treffen Diplomaten in, New York zusammen, um die globalen Anstrengungen der letzten 15 Jahre in Bezug auf den Schutz und die Ermächtigung von Frauen in und nach Konflikten zu überprüfen und künftige Prioritäten festzulegen. Angesichts dessen, was wir aus der bisherigen Umsetzung von UNSCR 1325 gelernt haben – was sollten wir ab sofort anders machen, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Syrien-Konflikt?

von Howard Mollet & Dima Al Karadsheh

 

Syrische Frauen haben seit 2011 unglaubliche Stärke und Mut bewiesen: von der Teilnahme im anfänglich friedlichen Aktivismus über das Organisieren von medizinischer Hilfe und Nahrungsmittelversorgung bis hin zur Forderung nach Mitbestimmung im Friedensprozess. Während Diplomaten also über den weiteren Weg für Frauen, Frieden und Sicherheit beraten, was sollte die internationale Gemeinschaft im Syrien-Konflikt anders machen, um Frauen und Mädchen dort besser zu stärken, schützen und ihnen zu helfen?

Partizipation

Resolution 1325 fordert die vermehrte Teilhabe von Frauen an Entscheidungsprozessen zu Frieden und Sicherheit. Eine Studie zu 40 Friedensprozessen zeigte kürzlich, dass durch die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen die Chancen eines Übereinkommens erhöht und gleichzeitig die Umsetzung und Nachhaltigkeit des Friedens positiv beeinflusst wurden.

Die syrische Zivilgesellschaft stand vor und seit Ausbruch des Krieges vor zahlreichen praktischen und politischen Herausforderungen, was das Schaffen von Netzwerken und Beeinflussen von Entscheidungsprozessen betrifft – sowohl durch die syrischen Machthaber als auch die internationale Gemeinschaft. 

Leider sind laut letzten Informationen die Versuche zur Wiederbelebung des politischen Friedensprozesses unter Leitung von UN-Sonderbeauftragtem Stefan de Mistura nicht ermutigend. Arbeitsgruppen zu Themen wie Schutz und Friedensschaffung werden gerade eingerichtet, und obwohl der Zivilgesellschaft anfangs Plätze versprochen wurden, sieht es derzeit nicht danach aus. Syrische Aktivistinnen wurden aufgefordert, beim syrischen Regime und Oppositionsgruppen für Plätze in den Verhandlungsgruppen zu lobbyieren. Dies drückt einen besorgniserregenden Mangel an Unterstützung und Verständnis für die Unabhängigkeit der Zivilgesellschaft aus – und der wichtigen Beiträge, die diese leisten kann.

Wie ändert man das? Eine Möglichkeit, für die CARE sich einsetzt, ist die Schaffung eines Stellvertretenden Untergeneralsekretärs bei UN Women, der/die sich für die Beteiligung von Frauen im Bereich Frieden und Sicherheit einsetzt. Das ist sicherlich kein Allheilmittel, aber Frauen benötigen Verbündete im UN-System, die ihre Einbeziehung einfordern.

Zusätzlich verfügen die vom Syrien-Konflikt betroffenen Staaten, mit Ausnahme des Irak, noch nicht über Nationale Aktionspläne (im Bereich Frauen, Frieden und Sicherheit. NAPs sind gute Anknüpfungspunkte für einen, Dialog zwischen Regierungen und Frauenorganisationen: Wenn es in Gesprächen der Anrainerstaaten Syriens mit den Vereinten Nationen und Geberländern darum geht, die finanzielle und technische Unterstützung für die Bewältigung der Auswirkungen des Konflikts und die Unterbringung von Flüchtlingen festzulegen, ist es wichtig, dass Indikatoren zu Frauen, Frieden und Sicherheit vorgesehen sind – und NAPs können dabei helfen.

Humanitäre Hilfe und Wiederaufbau

Bei UNSCR 1325 geht es auch darum, die Themen Frauen-Frieden-Sicherheit in der humanitären Hilfe mitzudenken, zum Beispiel bei der Planung von Flüchtlingslagern. Eine Neuerung, die CARE in Jordanien unterstützt, ist das Pilotprojekt „UN & NGO Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit“. Hier geht es darum, zu erfassen, inwieweit CARE und andere Hilfsorganisationen Geschlechter-Aspekte in ihre humanitären Programme mit einbeziehen. Das Projekt steht noch am Anfang, aber die Testphase zeigt bereits vielversprechende Ergebnisse in allen Bereichen der Hilfe, z.B. Unterkunft, Nahrung, Wasser & Hygiene.

Darüber hinaus betonen syrische AktivistInnen, wie wichtig es ist, Gender-Aspekte auf allen Ebenen der humanitären Arbeit zu berücksichtigen, nicht nur in vereinzelten Projekten. „Einige Geberstaaten haben damit begonnen, die Organisationen, die sie finanzieren, dazu aufzufordern, ein Mindestmaß an Gender Mainstreaming in ihren Projekten durchzuführen. Aber das ist bei weitem noch nicht genug, damit Gender ernst genommen wird“, so Hivin Kako von der Bihar Relief Organisation.

„Wir rufen alle Geldgeber dazu auf, syrische Organisationen, die von der Türkei und anderen Ländern aus grenzübergreifend arbeiten, Frauen in Führungspositionen zu unterstützen und einzustellen. Außerdem müssen sie an der Gender-Sensibilität ihrer Angestellten arbeiten. Sonst bekommen die Bedürfnisse und Rechte von Frauen und Mädchen nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.

Schutz

Der Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsbasierter Gewalt (ist ein weiteres Ziel von UN-Resolution 1325. Syrische Frauenrechtsaktivistinnen fordern seit, langem die Dokumentation und strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen gegen Frauen. Dennoch gibt es Bedenken, wie die internationalen Bemühungen in diesem Bereich umgesetzt wurden. Überlebende von geschlechtsbasierter Gewalt trafen zu Beginn des Jahres mit Zainab Bangura, UN Sondergesandter zu sexueller Gewalt in Konflikten, zusammen.

Sie überbrachten Berichte und Beweise dafür, dass sowohl die syrische Regierung als auch Oppositionskräfte sexuelle Gewalt als Kriegsmittel einsetzten. Dennoch berichteten Medien ausschließlich über Taten islamistischer Oppositionsgruppen. Diese einseitige Berichterstattung mag in westlichen Ländern, die mit ihren eigenen, nationalen Sicherheitsagenden als Antwort gegen den Extremismus beschäftigt sind, funktionieren. Für die Überlebenden selbst und die AktivistInnen, die sie unterstützen, ist diese verzerrte Darstellung höchst problematisch. „Es ist, als wären wir überhaupt nicht gehört worden. Das untergräbt das Vertrauen der Frauen in den betroffenen Gemeinden und lässt uns wie Marionetten einer fremden politischen Agenda aussehen. Das ist alles andere als hilfreich“, erklärt eine Aktivistin.

Mediale und politische Aufmerksamkeit für sexuelle Gewalt in Syrien führten zu einer Erhöhung der Gelder für Programme zur Bekämpfung von GBV. AktivistInnen begrüßen das natürlich, gleichzeitig betonen sie aber, wie wichtig es ist, dass GBV-Komponenten in humanitären Einsätzen breiter berücksichtigt werden – und nicht nur in vereinzelten Projekten.

Prävention

Die Vorbeugung von Konflikten und die Verminderung von Gewalt bilden die vierte Säule von Resolution 1325. Übereinstimmend mit den Forderungen der Zivilgesellschaft haben syrische Frauenaktivistinnen das totale Versagen der Konfliktparteien und der internationalen Gemeinschaft, was die Beendigung der Gewalt gegen Zivilisten betrifft, angeprangert. Trotz einer UN-Sicherheitsrats-Resolution, die den Gebrauch von Fassbomben untersagt, wurden seit Verabschieden der Resolution im Dezember 2014 mehr als 11.000 Fassbomben abgeworfen. Allein im August 2015 waren es geschätzte 1.500.

Syrische AktivistInnen fordern die Errichtung einer „No-Fly“-Zone, um die Bombardierung von zivilen Einrichtungen, vor allem Schulen und Spitälern, zu verhindern. Syrische Frauenaktivistinnen weisen außerdem darauf hin, dass die Entsendung von UN-Beobachtern 2012 dazu führte, dass die Gewalt gegen Zivilisten abnahm.

Wenn Aktivistinnen eingeladen würden, sich De Misturas Arbeitsgruppe anzuschließen, wäre dies eine ihrer Empfehlungen. Aktivistinnen tragen an der Basis wesentlich dazu bei, Gewalt zu vermindern und mit ihren Folgen umzugehen.

Im Libanon unterstützen von Frauen geführte zivilgesellschaftliche Gruppen wie „Women Now“ syrische Flüchtlingsfrauen dabei, sichere Orte zu schaffen, an denen sie sich treffen, austauschen und Unterstützung erhalten können. Das hilft dabei, das Stigma, dem Opfer von sexueller Gewalt in ihren Familien und Gemeinschaften ausgesetzt sind, zu bekämpfen. Kleine Initiativen arbeiten oft von internationalen Geldgebern unbemerkt. Diese wickeln ihre Gelder – aus administrativen Gründen – durch Agenturen ab, die in größerem Maßstab arbeiten.

Das 15-jährige Jubiläum von UN-Resolution 1325 ist ein günstiger Moment um sich zu fragen: Was sollten wir von jetzt an in Syrien anders machen?

Unsere Empfehlungen an die Vereinten Nationen, Geldgeber, regionalen Mächte und Konfliktparteien ist, die oben angeführten Punkte in ihre nächsten Schritte mit einzubeziehen. Es gibt keine schnelle oder einfache Lösung für diesen furchtbaren Krieg. Ohne den Schutz und die Beteiligung von Frauen rückt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für Syrien jedoch in noch weitere Ferne.

Howard Mollet ist Senior Policy Advisor bei CARE International UK, Dima Al Karadsheh ist Gender Advisor bei CARE Jordanien.