Ukraine: „Tut uns leid, aber wir haben im Moment keinen Strom“

Ein lautes Knacken und das Café ist völlig dunkel. Die wenigen Menschen, die hier bei ihrem Abendkaffee sitzen, reagieren nicht, sondern bleiben sitzen. Ein Kellner bringt eine Kerze an einen der Tische. Auch meine Gruppe unterhält sich im Kerzenschein weiter, bis einer nach dem anderen aufsteht, den warmen Wintermantel anzieht, sich bei den Angestellten bedankt und hinaus in die eiskalten, dunklen Straßen von Lwiw geht. Draußen sehe ich, dass die Straßenlaternen nicht eingeschaltet sind. Auch die Verkehrsampeln sind dunkel. In einigen Restaurants auf der anderen Straßenseite leuchten noch ein paar Lichter. Ich kann das ständige Brummen des Generators hören, der den Strom für sie erzeugt.

Stromausfälle stehen in der Ukraine an der Tagesordnung. Mehr als die Hälfte der Energieinfrastruktur ist zerstört. In einigen Gebieten gibt es geplante Stromausfälle, um die Systeme nicht zu überlasten. Wenn ich die Menschen in ihren Unterkünften – in Kellern, Büroräumen oder sogar im riesigen Fußballstadion von Lwiw – besuche, höre ich immer als Erstes: „Tut mir leid, aber wir haben im Moment keinen Strom.“

Ich gehe dunkle Treppen hinauf und dunkle Korridore entlang. In einem Keller, der als Notunterkunft genutzt wird, holt eine junge Familie Taschenlampen hervor. Die Menschen haben sich daran gewöhnt. Auf die Frage, wie er unter diesen schwierigen Umständen lebt, antwortet ein Vater: „Ich bin einfach froh, dass wir in Sicherheit leben können. Wir haben hier alles, was wir brauchen. Lieber keinen Strom als Bomben und Beschuss.“

Bahnhof in Lwiw, Ukraine Bahnhof in Lwiw, Ukraine

Eiskalter Wind am Bahnhof

Die Temperaturen in der Ukraine sinken. Die Tafel am Bahnhof von Lwiw zeigt minus ein Grad Celsius, meine Wetter-App sagt mir, dass es gefühlte minus sieben sind. Der eisige Wind heult durch den Bahnhof, und ich ziehe meinen Schal höher, um mich warm zu halten.

Wir sprechen mit den Freiwilligen, die seit der Eskalation des Krieges im Februar immer noch hier arbeiten. Ich erinnere mich noch an die Zelte und die langen Schlangen auf dem Bahnhofsvorplatz, als ich vor acht Monaten hier stand. Valentin, ein Koordinator, hilft älteren, kranken und Menschen mit Behinderung, die mit den Evakuierungszügen aus dem Osten ankommen.

Kleidung in einer Notunterkunft in Lwiw, Ukraine Kleidung in einer Notunterkunft in Lwiw, Ukraine

Er kann sich erinnern, dass er bis zu 1,5 Stunden brauchte, um durch all die Menschen durchzukommen. „Jetzt sind es nur ein paar Hundert, die jeden Tag ankommen“, erzählt er uns. Eine der Freiwilligen ist sechs Jahre alt. Vasilina hilft beim Schieben der vielen Rollstühle für die Geflüchteten.

In einer Ecke der Ankunftshalle stehen Kisten voll mit Winterkleidung, die von den Freiwilligen sortiert werden. Die Kleidung wird bei diesem Wetter dringend benötigt. Ohne Strom funktionieren die Heizungspumpen für die Heizkörper nicht. Die Neuankömmlinge haben oft nur eine kleine Tasche mitgebracht, weil das alles ist, was sie in ihrer Eile in Sicherheit zu gelangen, packen konnten.

Gespräche, die ich nicht vergessen werde

In einer Unterkunft treffe ich ein junges Mädchen, das nicht einmal eine Jacke von zu Hause mitgebracht hatte. Das sind die Gespräche, die mich tief durchatmen lassen. Es ist nicht leicht, mit Menschen zu sprechen, die die schlimmsten Traumata durchgemacht haben und nun schon sehr lange in Notunterkünften leben.

Masha mit einer Katze in einer Notunterkunft in Lwiw, Ukraine, Mädchen Masha mit einer Katze in einer Notunterkunft in Lwiw, Ukraine, Mädchen

Einige Aussagen werden mir immer im Gedächtnis bleiben, wie die eines psychologischen Beraters in einer Einrichtung für Männer mit geistiger Behinderung: „Wir wissen nicht, woher die meisten von ihnen kommen oder wo ihre Familien sind. Sie wollen nicht darüber sprechen, was ihnen passiert ist. Sie sind hier allein.“

Eine Familie, zwei Schwestern mit drei kleinen Kindern, erzählt mir, dass sie fünf Monate lang in einem Gebiet gelebt haben, das nicht von der Regierung kontrolliert wird und sich entscheiden mussten, ob sie ihre Kinder in eine russische Schule schicken oder sie ganz verlieren. Also flohen sie – durch 50 Kontrollpunkte und ohne zu wissen, ob der nächste Kontrollpunkt ihr letzter sein könnte.

Ein glückliches Wiedersehen

Unter all diesen Geschichten gibt es auch einige glückliche Momente. Der Besuch einer Unterkunft, die ich bereits im August sah, war einer davon. Als ich damals dort war, wurde die Unterkunft gerade erweitert und neue Räume für vertriebene Familien errichtet. CARE und seine Partner unterstützen diese Unterkunft mit Möbeln, Küchengeräten und Matratzen.

Masha am Spielplatz einer Notunterkunft in Lwiw, Ukraine, Mädchen Masha am Spielplatz einer Notunterkunft in Lwiw, Ukraine, Mädchen

Es war ein besonderer Moment für mich, die fertige Unterkunft und die Kinder auf dem neuen Spielplatz spielen zu sehen. Zu erleben, was Spenden bewirken können und wie sie jeden Tag einen Unterschied für die Familien machen.

Ich traf auch Leona, die Leiterin des Heims, wieder. Wir haben uns umarmt, und es war, als würde ich eine lang vermisste Freundin wiedersehen. Sie erzählt mir, dass sie froh ist, dass sie mehr Familien aufnehmen konnten. Sie sagt mir aber auch, dass sie bereits wieder voll belegt sind. Das zeigt, dass der Bedarf an einem Schlafplatz nach wie vor sehr hoch ist. Und es zeigt, dass die Menschen, die Familien, die Kinder, die ohne Jacken ankommen, die Alten und die Kranken die Unterstützung erhalten, die sie brauchen.

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